(Der Beitrag wurde am 3. August in der NZZ am Sonntag veröffentlicht.)
In der Geschichte der ökologischen Bewegung finden sich rechte und fremdenfeindliche Strömungen. Der Verein Ecopop, der in dieser Denktradition steht, will Umweltprobleme mit Bevölkerungspolitik lösen. Dabei sollte auch beim Umweltschutz der Mensch im Zentrum stehen, schreibt Balthasar Glättli
«Grenzen des Wachstums» und «Die Bevölkerungsbombe» – diese zwei Bestseller markieren symbolisch den Beginn der modernen Umweltbewegung. Sie inspirierten auch die Organisation Ecopop, die 1970 als «Arbeitsgemeinschaft für Bevölkerungsfragen» entstanden war.
Damals war es nicht ungewöhnlich, Umweltanliegen mit Bevölkerungspolitik zu verknüpfen. Ein Ecopop-Wahlaufruf wurde 1971 von breiten Kreisen unterzeichnet. Nationalratskandidaten wie Hans Steffen von der Nationalen Aktion, aber auch der Freisinnige Rudolf Friedrich und die Sozialdemokraten Moritz Leuenberger, Jean Ziegler und Christian Grobet versprachen, sich bei einer allfälligen Wahl für die «Stabilisierung der Wohnbevölkerung in der Schweiz» und die «Unterordnung der wirtschaftlichen Zielsetzungen unter die Postulate des Umwelt- und Menschenschutzes» einzusetzen.
Um eine möglichst breite Anhängerschaft zu gewinnen, ging Ecopop auch so weit, die Unterstützung von rechten Einwanderungsgegnern anzunehmen, oder organisierte sie sogar gleich selbst. Stets achtete sie aber darauf, sich offiziell von der Rechten distanzieren zu können. So beschloss die Ecopop-Arbeitsgruppe «Mensch und Umwelt» am 24. November 1970, «die Nationale Aktion Kanton Bern soll gezielt durch das Gedankengut der Arbeitsgemeinschaft unterwandert werden». Mit Erfolg: Bald darauf wurde Ecopop-Vizepräsident Valentin Oehen Zentralpräsident der Schweizerischen «Nationalen Aktion gegen Überfremdung von Volk und Heimat». Offizielle Unterstützung für die verschiedenen Überfremdungsinitiativen der Nationalen Aktion gab es aber seitens Ecopop nie.
Ein weiteres Beispiel: 1973 bot die Wochenzeitung «Republikaner» des bekannten Überfremdungsgegners James Schwarzenbach an, die Ecopop-Petition «für eine umweltgerechte Bevölkerungspolitik» beizulegen. Dies hätte Ecopop sicher einige Unterschriften beschert. Doch die Sekretärin Anne-Marie Rey sagte am 29. Januar 1973 in Namen des Vorstands ab: Der Verein wolle absolute politische Neutralität wahren. Allerdings fügt sie an: «Wir würden es jedoch begrüssen, wenn Sie von sich aus und unter Ihrem Namen im ‹Republikaner› auf unsere Petition hinweisen und meine Sekretariatsadresse als Bezugsquelle für Unterschriftenbogen angeben könnten.» Eine klare Distanzierung tönt anders.
Die Umweltschutzbewegung hatte in ihren Anfängen viele Gesichter. Dem Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit folgte bald der Kater. Die Schattenseiten der Industrialisierung wurden sichtbar. Paradoxerweise war es die Raumfahrt, gedacht als grenzenlose Befreierin der Menschheit von der Erde, die daran erinnerte, dass wir auf einem beschränkten Globus leben. Sie trug so wesentlich zur Begründung der modernen Umweltbewegung bei. Joachim Radkau spricht in seiner Weltgeschichte der Ökologie von einer umgekehrten kopernikanischen Wende durch das tausendfach reproduzierte Bild des blauen Planeten, einsam im All: In der Perspektive der Satelliten wird die Erde selbst zum Raumschiff. Einmalig. Bedroht. Begrenzt.
Viele kritisierten das ungebändigte Wachstum und forderten mehr Sorgfalt im Umgang mit der Natur, Solidarität im menschlichen Zusammenleben und Respekt vor künftigen Generationen. Eine Forderung, der ich mich mit den Grünen verpflichtet fühle.
Ein anderer Teil der Umweltbewegung sah den Menschen aber vor allem als Bedrohung. Nicht sich selbst natürlich, sondern immer die anderen. So kritisierte der Biologe Garett Hardin 1974: «Die Raumschiff-Metapher kann gefährlich sein, wenn sie von irregeleiteten Idealisten missbraucht wird, um eine selbstmörderische Politik zu rechtfertigen, welche unsere Ressourcen durch unkontrollierte Einwanderung und Auslandhilfe teilt. (. . .) Sie verwechseln die Ethik eines Raumschiffs mit der eines Rettungsbootes.» Hardin plädierte gegen jeden Versuch, den Wohlstand gerechter zu verteilen, weil dies nur dazu führe, dass die Armen, statt endlich zu verhungern, sich weiter vermehrten.
Die sozialdarwinistische Angst, im ewigen Kampf ums Dasein könnte sich die eigene natürliche Überlegenheit, der Vorrang des eigenen Volkes vor Minderwertigen nicht bestätigen, treibt unheimliche Ökologen wie ihn um. Die Bedrohung wandert dabei ein über die Grenzen, und sie kommt auch von minderwertigen Menschen. So fand schon Ernst Haeckel, der 1866 als Erster den Begriff der Ökologie prägte, «durch unnachsichtige Ausrottung aller unverbesserlichen Verbrecher (würde) nicht allein dem besseren Theile der Menschheit der Kampf um’s Dasein erleichtert, sondern auch ein vortheilhafter künstlicher Züchtungsprozess ausgeübt ( . . .)»
Zu Haeckels Ehrenrettung sei daran erinnert: Eugenik war bis über die 1930er Jahre hinaus von rechts bis links salonfähig. Heute schockiert allerdings, wie viele der alten Eugeniker – nach der schrecklichen Realität von Nazideutschland – in der Bevölkerungspolitik ein neues Spielfeld für ihre Herrenmenschenträume fanden und diese gar bis in hohe Gremien der Uno hinein trugen.
Die Kombination von Umweltschutz und Menschenhass fand sich bei weiteren ökologischen Pionieren. So erhoffte sich der Verhaltensforscher Konrad Lorenz 1988, dass sich die Vermehrung von «minderwertigen Menschen wie Schwulen und Schwarzen» auf natürliche Weise lösen lasse: «Man könnte daher eine gewisse Sympathie für Aids bekommen. Eine Bedrohung, welche die Menschheit immerhin dezimieren, immerhin von anderen bösartigen Unternehmungen abhalten könnte.» Ähnlich sprach auch Herbert Gruhl. Der Mitgründer der deutschen Grünen phantasierte noch 1992 darüber, für überbevölkerte Drittweltländer könnte die Atombombe nicht eine Bedrohung, sondern vielmehr eine Befreiung sein.
«Die Schattenseite des Überflusses ist der überflüssige Mensch», formuliert der deutsche Schriftsteller Ilija Trojanow treffend – und bringt damit auf den Punkt, dass in einer Wegwerfgesellschaft Sachen wie Menschen zu Abfall werden: Darum bekämpfen heute die Grünen beides – die Ausbeutung von Natur und Mensch. Ecopop dagegen bekämpft nicht die Ausbeutung, sondern vorab die Fortpflanzung der Ausgebeuteten.
Zwar geriet Ecopop nach der erfolgreichen Gründung in einen Dämmerzustand. Die Ölkrise hatte die Zuwanderungsdiskussion entschärft. Der Verein vermochte es nicht, breitere Unterstützung zu finden. Ecopop wurde zu einem kuriosen Ableger der Umweltbewegung, belächelt, kaum ernst genommen.
Die Revitalisierung begann, als Ecopop aufhörte, sich gegen rechts abzugrenzen. Im November kommt die radikale Ecopop-Zuwanderungsinitiative zur Abstimmung. Politische Neutralität stand diesmal einer Zeitungsbeilage nicht mehr im Wege: Nur dank tatkräftiger Unterstützung von Schweizer Demokraten, Ulrich Schlüers «Schweizerzeit» und der Auns (Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz) gelang es Ecopop im Schlussspurt überhaupt, genügend Unterschriften für die Initiative zu sammeln. Die schwindenden Berührungsängste gegen rechts gipfelten im öffentlichen Sukkurs für die SVP-Masseneinwanderungsinitiative.
Die neuen Freunde aber dankten es Ecopop nicht. Sie beschimpfen die neue Konkurrenz als «Birkenstock-Rassisten». Und sollten sich Ecopop-Anhänger einmal tatsächlich nicht gegen Fremde, sondern wirksam für Umweltschutzanliegen einsetzen, dürfen sie jetzt schon versichert sein: Die SVP wird die letzte Partei sein, die sie dabei unterstützt.